Draußen putzen die Fahrer im schwarzen Anzug unsichtbare Schlieren aus dem Lack der noblen Shuttle-Limousinen, drinnen hocken Jung-Unternehmer im Business-Dress oder der Krachledernen beim Weißbier und lassen sich von Richard Branson erklären, was einen guten Unternehmer ausmacht.
Draußen putzen die Fahrer im schwarzen Anzug unsichtbare Schlieren aus dem Lack der noblen Shuttle-Limousinen, drinnen hocken Jung-Unternehmer im Business-Dress oder der Krachledernen beim Weißbier und lassen sich von Richard Branson erklären, was einen guten Unternehmer ausmacht.
Mehr als 5000 Teilnehmer auf dem Messegelände in München Riem (Foto: Bits & Pretzels).
So sehen Unternehmer aus: Sir Richard Branson in Lederhose, rot-weiß-kariertem Hemd, dunkelroter Weste sowie Haferlschuhen und Wadlwärmern (Foto: Bits & Pretzels).
"Du musst den Wunsch haben, das Leben anderer Menschen besser zu machen", sagt der satt gebräunte Mittsechziger, der im vollen Wiesn-Ornat auf dem Interview-Sofa Platz genommen hat, "ein guter Unternehmer umgibt sich mit Menschen, die besser sind als er. Und sie belasten sich nicht mit zu vielen Details." Darauf noch ein Weißbier!
Was beim ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in den späten 90ern unter dem launigen Begriff Laptop und Lederhose firmierte, hat in Bits & Pretzels Form angenommen. Vor zwei Jahren wurde die Konferenz für Gründer und Gründerinteressierte aus der Start-up-Szene ins Leben gerufen und erfreut sich seitdem immenser Beliebtheit. Bei der Premiere im Münchner Löwenbräukeller freute man sich im September 2014 über 1400 Gäste - bei der dritten Ausgabe auf dem Messegelände in Riem sind es bereits über 5000, Tendenz steigend.
Keynote-Speaker auf der Bits & Brezels 2016: Schauspieler und Investor Kevin Spacey (Foto: Bits & Pretzels).
Die Keynote kam diesmal von einem leibhaftigen Hollywood-Star: Kevin Spacey. 2015 war der Amerikaner beim Schweizer IT-Unternehmen Wisekey eingestiegen, unterstützt zudem die Videoplattform Frame.io und fördert generell innovatives Unternehmertum: „Die, die Risiken eingehen, sind die, die belohnt werden.“ Ermutigende Worte für die knapp hundert Aussteller.
Mehr als 400 Journalisten berichten über die Erfolgsgeschichten von Xing, Tinder, Shazam und zig anderen. Diesmal dabei: die Chefs von Uber, Mozilla, Adidas, Freeletics, aber auch Ilse Aigner, Jörg Kachelmann, Carsten Maschmeyer und die Sportfreunde Stiller. Gut, letztere gaben ein Konzert, aber trotzdem: Geht's noch bunter?
Bildergalerie: Impressionen von der Bits & Brezels 2016 (Fotos: Bits & Pretzels)
Dr. Benno Pichlmaier spricht zum Thema "A new era of robotics".
Zeitgleich zum Branson-Interview im restlos überfüllten Saal 14 geht es ein paar Meter weiter nördlich in Saal 13b um "A new era of robotics". Und ja: Hier wird ausschließlich englisch gesprochen, zumindest solange die Mikrofone an sind. Erster Vortragender: Dr. Benno Pichlmaier, Head of Research and Advanced Engineering bei Fendt. Ein Landtechnikhersteller bei einer Start-up-Messe? Genau so ist es!
Fendt, die High-Tech Marke des US-Landtechnikkonzerns AGCO , stellt in Person von Pichlmaier ein durch die Europäische Union gefördertes Forschungsvorhaben vor, das seit 18 Monaten läuft und auf den schönen Namen MARS hört: Mobile Agricultural Robot Swarms. Grob gesagt handelt es sich um kleine, autonome Feldroboter, die mit Hilfe einer cloudbasierten Lösung als Schwarm gesteuert werden. Über die MARS App kann z.B. die Aussaat vom Landwirt sowohl geplant als auch jederzeit und von überall aus per Tablet überwacht werden. Der Ablageort jedes Saatkorns wird dokumentiert und in der Cloud gespeichert. Nachfolgende Pflegearbeiten können so präzise und ressourcenschonend ausgeführt werden. Ein Konzept, das sowohl für Besitzer kleiner Agrarflächen funktioniert, das man sich aber auch auf den unendlichen Feldern in den USA oder für die Mechanisierung auf dem afrikanischen Kontinent gut vorstellen kann. Erst recht, wenn am Ende von Pichlmaiers Präsentation einer dieser kleinen Robotern durch den Saal rollt und das Auditorium mit ein paar Knabber-Brezeln versorgt. So könnte sie aussehen, die Landwirtschaft 4.0.
Das bunte Treiben auf der Start-up-Messe ist für Pichlmaier „mal was ganz anderes als die klassischen Ingenieurskonferenzen“, wie er sagt, „für uns als Unternehmen ist das eine Chance zu zeigen, dass die Landwirtschaft längst nicht mehr auf Mistgabeln und Gummistiefel reduziert werden kann, sondern eine moderne High-Tech Welt ist. Hier kreative, junge Leute, die sich nicht durch bekannte Wege einengen lassen und deswegen neue gehen können“. Er arbeite in einer traditionellen Industrie, Landwirte gelten als konservativ „Es gibt aber wohl kaum eine größere Herausforderung, als Lebensmittel, Energie und Rohstoffe nachhaltig und wirtschaftlich für eine wachsende Weltbevölkerung bereitzustellen. Die Bauern sind interessiert an Innovationen, die Ihnen dabei helfen. Wir werden einige Grenzen verschieben und traditionelle Konzepte in Frage stellen müssen. Deshalb versuchen auch wir neue Wege zu gehen und fühlen uns im kreativen Treiben der Bits & Pretzels durchaus wohl.“
Wenn er und sein Team mit Landwirten das MARS-Konzept diskutiert, gibt es durchaus zunächst Bedenken: „Wenn da Robotik draufsteht, klingt das ein bisschen nach Rocket Science, völlig abgehoben, akademische Hirngespinste“, lacht Pichlmaier, „aber wenn man dann mit den Leuten ins Gespräch kommt und ihnen das Prinzip erklärt, kommt das sehr positiv an und überzeugt – weil MARS im Grunde ein radikal einfaches und robustes System ist. Die Bauern erkennen viele Vorteile: Sie können zum Beispiel im Frühjahr früher rausfahren zum Säen, wenn große Maschinen noch einsinken. Durch den Einsatz vieler gleicher Einzeleinheiten ist das System sehr ausfallsicher und auch die pflanzenbaulichen Vorteile, wie z.B. flexible Saatmuster zur optimalen Nutzung von Nährstoffen, Wasser und Licht sind offensichtlich.“
Wann MARS auf den Feldern der Erde ankommt, steht noch in den Sternen, womit wir wieder beim Weltraumfreund Richard Branson sind. Der überzieht im Gegensatz zu Benno Pichlmaier gewaltig, erzählt noch von seinem jüngsten Fahrradunfall, der ihn aber nicht von einer tausend Kilometer langen Radtour durch Italien abhält. Heute sei Ruhetag, morgen gehe es dann weiter – in der Badehose: Branson will von Sizilien aus zum Festland schwimmen. Wahrscheinlich braucht er nur mal ein paar Stunden den Kopf frei, um in Ruhe das nächste Geschäftsmodell auszuknobeln.